Something new

 

Certina stand seit der Gründung im Jahr 1888 für robuste und zuverlässige Uhren. Mit der Einführung des DS-Systems im Jahr 1959 wurde dieser Ruf noch untermauert und in den Sechzigerjahren wurde die Robustheit des DS-Systems durch spektakuläre Tests und Teilnahmen an Expeditionen mehrfach unter Beweis gestellt. Meilensteine in der Geschichte von Certina und gleichzeitig Belastungstests erster Güte waren die Beteiligung an Sealab und Tektite Experimenten der US Navy (mehr dazu hier https://www.vintagecertinas.ch/de/certina-taucheruhren/). In diesem Zeitraum zeigte die Manufaktur Certina, dass sie mit ihren Taucheruhren nebst Herstellern wie Rolex zur Weltelite gehörte.

So ist es 2018 – nach 130-jährigem Bestehen der Marke – nur konsequent, ein Modell aus dieser Ära wiederaufstehen zu lassen. Ausserdem sind die Reissues von Taucheruhren seit ein paar Jahren en vogue und der Trend ist momentan ungebrochen. Man könnte sagen, dass Certina damit etwas spät auf den Zug aufgesprungen ist. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass Certina bereits 2004 eine Wiederauflage eines Taucheruhrenklassikers, nämlich die auf 1888 Stück limitierte DS-3 Super PH1000m, auf den Markt gebracht hat, damals also sogar zu den Pionieren dieses Trends gehörte.

Wie es begann...

Die Geburtsstunde der Neuauflage der Certina DS PH200M war auf der Baselworld 2017. Die Aufgabe war klar, ein Schatz aus der reichen Geschichte von Certina soll wieder auferstehen. Aber welches Modell soll es sein? Als ich mit dem Certina-Team rund um CEO Adrian Bosshard und Produktmanager Niko Grozdanov zusammensass, war der Entschluss schnell gefasst. Niko und ich hatten beide die gleiche Uhr im Kopf. Die DS PH200M (Referenz 5801 117) von 1967. Ich hatte folgendes Foto als Appetitanreger» in die Sitzung mitgenommen:

Certina DS PH200M

Der Zeitplan war knapp bemessen. Bis zur Baselworld 2018 sollten das Modell marktreif entwickelt werden und erste Vorserienmodelle vorhanden sein. Das Produktionsteam war aber voller Enthusiasmus und setzte sich entsprechend ein. Ich durfte den ganzen Prozess beratend verfolgen, was natürlich extrem spannend war. Danke nochmals dafür an das Certina-Team!

Erste Renderings bekam ich von Niko im Sommer letzten Jahres zugesandt. Das Original DS-System von damals sollte wiederverwendet werden. Daher musste parallel zur Designentwicklung auch getestet werden, inwieweit dies mit einem neuen Automatikwerk überhaupt möglich ist. Ja, du hast richtig gelesen; in der neuen Certina DS PH200M sollte wieder das ruhmreiche ursprüngliche DS-System, welches 1959 eingeführt wurde, verbaut werden!

Doppelte Sicherheit

DS ist die Abkürzung für «Doppelte Sicherheit». Diese wurde seinerzeit erreicht, indem man neben der herkömmlichen Stosssicherung (Incabloc) das ganze Werk mithilfe eines elastischen Stossdämpferrings schwimmend im Gehäuse befestigte. Ausserdem gab es einen Luftspalt zwischen Zifferblatt und Gehäuse, wodurch sich das Werk in alle Richtungen bewegen konnte. Weitere Merkmale waren zusätzliche Dichtungen, ein extra dickes und armiertes Plexiglas sowie ein verstärkter Gehäuseboden.
Wenn wir schon bei den Abkürzungen sind; das PH in der Bezeichnung „PH200M“ steht für «Pression Hydrostatique» (Wasserdruck) und bezeichnet somit die Wasserdichtigkeit bis 200m bzw. 20 bar.

Ende August trafen schliesslich die Dummys aus dem 3D-Drucker ein. Auch davon schickte mir Niko einige Fotos. Anfangs Februar schliesslich wurden die ersten Prototypen zusammengebaut, welche erstmals einen realen Eindruck vermittelten, wie die Uhr wirklich aussehen sollte. Und Ende März 2018, an der Baselworld, war es endlich soweit! Ich konnte die Certina DS PH200M erstmals in den Händen halten und an mein Handgelenk schnallen. Dies war natürlich ein toller Moment!

Hands-on

Mittlerweile habe ich mein Exemplar erhalten. Dabei handelt es sich noch um ein Vorserienmodell, welches ich die vergangenen Wochen getragen habe und euch nun näher vorstellen möchte.

Peli case

Als Erstes fällt das originelle (und natürlich wasserdichte) Peli Case auf, in dem die Uhr ausgeliefert wird und einen Bezug zum Thema Tauchen und Toolwatch schafft. Nach dem Öffnen findet sich die Uhr mit montiertem honigfarbenen Lederband und beiger Kontrastnaht, daneben das mitgelieferte schwarz-grau gestreifte Nato Band. Das Textilband ist recht dick und hat bei den Löchern eine lederne Verstärkung. Es macht einen sehr hochwertigen Eindruck. Ich bin ja ein kleiner Nato-Band-Fan, entsprechend gefällt mir das mitgelieferte Band ausgezeichnet.

Certina DS PH200M with nato strap

Damit die Bänder ohne Werkzeug gewechselt werden können, sind sogenannte Wechselfederstege verbaut. Damit geht der Bandwechsel schnell und einfach ohne Werkzeug über die Bühne. An beiden Bändern ist eine polierte Dornschliesse angebracht. Ein nettes Detail wäre aus meiner Sicht gewesen, wenn diese auch im Stil der alten Schliessen designt worden oder zumindest auch wie die Uhr satiniert wäre.

Certina DS PH200M with leather strap

Sehen wir uns die Uhr genauer an. Das Edelstahl-Gehäuse ist oben und an den Flanken satiniert. Beim Original war das Gehäuse (soweit ich das anhand bisheriger Exemplare verifizieren konnte) rundum poliert. Die Satinierung lässt die Uhr jedenfalls hochwertig erscheinen. Der Durchmesser des Gehäuses ist 41 mm, derjenige der Lünette 42.8 mm, Lug to Lug 52 mm, die Höhe beträgt ca. 13.2 mm, die Bandanstossbreite 20 mm.

Certina DS PH200M Flanke

Auf der griffigen verschraubten Krone finden wir das gravierte Logo mit den zwei ineinander drehenden «C» wie es zu Zeiten des Vorbilds üblich war. Die Lünetten-Einlage ist aus Aluminium, entgegen der Bakelit-Einlage bei der Vorlage. Hier wäre man mit einer Einlage aus Saphirglas optisch sicher näher am Vorbild gewesen. Allerdings hätte sich dies dann im Preis niedergeschlagen. Der Tauchring ist selbstverständlich nur einseitig drehbar und hat eine Rasterung von 60 Klicks.

Ein Detail, welches mir persönlich von Anfang an sehr wichtig war, war, den Look des gewölbten Plexiglases beizubehalten. Certina entschied sich, auch aus Gründen der historischen Detailtreue, ein gewölbtes Hesalit-Boxglas zu verbauen. Es ist einseitig entspiegelt und hat eine kratzfeste Beschichtung (NEX Scratchguard). Dies ist ein mutiger Entscheid, gibt es doch sicher Leute, welche aus Gründen der Kratzfestigkeit lieber ein Saphirglas verbaut hätten. Allerdings kann man dafür allfällige Kratzer einfach selber heraus polieren. Ausserdem sind die Haptik und der Look einfach klasse. Vintage-Liebhaber wissen, wovon ich spreche, nicht umsonst heisst es: «Plexi ist sexy».

Unter ebendiesem Plexi zeigt sich das Gesicht der Uhr, das schwarz lackierte Cross-Dial-Zifferblatt mit den silberfarbenen Schwertzeigern und dem roten Sekundenzeiger. Beim Original ist der Sekundenzeiger nicht rot. Puristen mögen dies bemängeln, mich hat es anfangs auch eher gestört. Mittlerweile empfinde ich den roten Farbtupfer aber als „Eyecatcher“ welcher der Uhr das gewisse Etwas verleiht und gut mit dem roten Kreuz harmoniert. Auch auf dem Zifferblatt finden wir das alte Certina Logo, welches aufgesetzt ist. Ein schönes Detail, wie man es bei Modellen aus dieser Zeit oft findet. Bei der Vorlage war es nur aufgedruckt.

Wie es sich für eine Taucheruhr gehört, sind die Indexe und Zeiger mit Leuchtmasse belegt. Die SuperLumiNova-Leuchtmasse hat einen, je nach Lichtverhältnissen kaum wahrnehmbaren Creme-Ton, welcher den Vintage-Charakter dezent unterstreicht. Bei Dunkelheit leuchtet sie in strahlendem Blau.

Certina DS PH200M Gehäuseboden

Ein weiteres Highlight, welches sicher das Herz eines jeden Vintage-Certina-Fans höher schlagen lässt, ist der verschraubte Boden mit der, zumindest bei Vintage-Liebhabern, altbekannten Schildkröte in der Mitte und dem Wellenmuster drumherum. Genauso wie der Gehäuseboden des Originals. In dieser Epoche hatten die meisten DS-Modelle mit Automatik-Werk diesen Boden. Der Boden des vorliegenden Vorserienmodells entspricht übrigens noch nicht der endgültigen Fassung. Dort wird der Bereich mit dem Wellenmuster matt und nicht poliert sein.

Powermatic 80

Im Innern der Uhr verrichtet das Automatikkaliber ETA C07.111, besser bekannt als «Powermatic 80», seine Arbeit. Seine Bezeichnung verdankt es den 80 Stunden Gangreserve. Grundlage dieses Kalibers, welches 2012 auf den Markt kam, war das ETA 2824-2. Es verfügt über 23 Rubine, Datumsanzeige und Sekundenstopp und arbeitet mit 21’600 Halbschwingungen pro Stunde. Ach ja, das Datum verfügt übrigens über eine Schnellschaltung, nur falls jemand das Gekurble des 25-651 vermissen sollte… ;o) Auf dem Bild oben sieht man nebst dem schwarzen Gummiring, welcher das Werk vor Schlägen schützt, auch das erwähnte Bandwechselsystem.

Jedes Exemplar der DS PH200M wird auf eine Wasserdichtigkeit bis 20 bar geprüft, was, wie der Name schon verrät, dem Druck einer angenommenen Wassersäule von 200 Metern entspricht. Die Wasserdichtigkeit wird gemäss ISO 22810 getestet. Diese Norm beschreibt die verschiedenen Klassen der Wasserdichtigkeit und das Prüfverfahren, mit dem diese ermittelt wird.

Vorlage vs. Neuauflage

Legen wir das Original und die Neuauflage mal nebeneinander:

Vorlage vs. Wiederauflage

Das Original von 1967 hat einen Gehäusedurchmesser von 38 mm, bei der Lünette misst sie 40.3 mm und Lug to Lug 49 mm. Die Neuauflage ist also rundum zwischen 2.5 bis 3 mm angewachsen. Trotz der vergrösserten Abmessungen der Uhr trägt sie sich aber auch an meinem 17.5 cm Handgelenk noch gut. Wer sich also nur aufgrund der Masse abschrecken lässt, sollte sie sich auf jeden Fall zumindest mal ans eigene Handgelenk binden und es real beurteilen.

Natürlich fällt beim direkten Vergleich der Grössenunterschied auf. Certina wollte aber nicht einfach eine Kopie der DS PH200M von 1967 herausbringen, sondern neben der Technik auch die Optik etwas der Zeit entsprechend auffrischen.

Fazit

Dass mein Bericht aufgrund meiner Involviertheit nicht ganz unvoreingenommen ist, versteht sich von selbst. Es soll daher auch kein klassischer «Hands-on»-Artikel sein. Ich möchte euch die Uhr einfach vorstellen und euch empfehlen, sie bei Gelegenheit mal selber anzuschnallen. Es gibt unterm Strich ein paar kleine Dinge, die ich vermutlich anders gemacht hätte. In Anbetracht des aufgerufenen Preises wird jedoch klar, dass man ein paar Kompromisse eingehen musste.
Auf jeden Fall hat Certina einen tollen Job gemacht und eine attraktive Uhr zu einem ausgesprochen attraktiven Preis herausgebracht. Wo sonst kriegt man für 695 Franken bzw. 695 Euro von einem renommierten Schweizer Hersteller so eine gelungene Re-Edition?

Die Certina DS PH200M hat die Referenznummer C036.407.16.050.00 und ist in der Heritage Kollektion angesiedelt. Sie wird ab Oktober 2018 verfügbar sein.

Links zum Thema

    • DS PH200M Link zur Certina Produkteseite
    • Hodinkee Hands-on Artikel auf Hodinkee.com (englisch)
    • Fratellowatches Hands-on Artikel auf Fratellowatches.com (englisch)

Veröffentlicht: 23.08.2018

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